Die Qual der Wahl
Man steht im Supermarkt vor einem riesigen Regal voller Konfitüre. Die Auswahl ist erschlagend. Ist das wirklich Freiheit, von allen erdenklichen Sorten auf der Welt wählen zu müssen? Wäre es nicht befreiender, nur eine kleine Auswahl zu haben, um sich dann auf wichtigere Dinge konzentrieren zu können?
Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt.
jean-paul sartre
Diesen Gedankten verfolgt Sartre in seinem Hauptwerk Das Sein und das Nichts. Es sind die Taten, die das Sein des Menschen bestimmen. “Mit seinem Tun zeichnet der Mensch sein Gesicht”. Das macht es jedoch erforderlich, dass der Mensch planen und sich ständig entscheiden muss. Wir werden ins Leben geworfen und müssen uns ständig entscheiden. Gleichzeitig machen wir uns damit schuldig, weil wir uns mit jeder Entscheidung andere Möglichkeiten vorenthalten werden. Dadurch werden wir gezwungen, zu unserer Wahl zu stehen, weil auch sich nicht zu entscheiden ist eine Entscheidung ist. Dr. Walther Ziegler fasst Sartres Philosophie in 60 Minuten zusammen.
Zwangsläufig werden Freiheit, Entscheidungen und damit einhergehende Zwang zur Verantwortung zur Überforderung führen. Vielleicht ist das der Grund, warum Existenzialisten schwarz gekleidet und melancholisch zwischen Jazz-Keller, Universität, Kino und Café wandelten. Der Existentialismus ist eine Folge der Aufklärung und des Mangels einer allmächtigen Kraft. Unter Umständen ließe sich daher argumentieren, dass ein vordiktiertes Leben durch die Kirche einfacher war. Man musste sich deutlich weniger Gedanken machen, weil Dritte Entscheidungen abnahmen.
Vielleicht unterlag Satre einem kleinen Denkfehler, denn Freiheit und Möglichkeiten sollten nicht verwechselt werden. Denn eigentlich sind es die Möglichkeiten, welche zur Überforderung führen können. Natürlich sind Möglichkeiten ein Bestandteil der Freiheit, aber sie besteht aus viel mehr als das. So ist Unabhängigkeit ein wichtiger Bestandteil davon.
Nur eine Illusion
Sartre lag mit seiner Behauptung To do is to be nicht ganz richtig. Der “Plan”, den man von sich selber entwirft, kann dem Willen nicht voraus gehen. Der Mensch wäre dann nicht nur in der Lage sich von gesellschaftlichen Erwartungen zu befreien, sondern auch Herr über seine Triebe, seine Gewohnheiten, seine Wünsche, seine Rollenmuster, seine Moralvorstellungen und seine frühkindlich eingeschliffenen Reaktionen.
Vielmehr ist der Mensch Produkt seiner Anlagen, Erfahrungen und Erziehung. Die meißten Aufgaben werden durch das Unterbewusstsein gesteuert. Was man für den freien Willen hält, ist der Reflex von Ideologien und kulturellen Mustern. Diese illusorische Willensfreiheit begründet sich in einer maßlosen Selbstüberschätzung des Bewusstseins.
Adaptability is key
Die gute Nachricht ist, dass Gefühle lernfähig sind. Vielmehr ist es in unserer Gesellschaft auch erforderlich, die natürlichen Triebe und Bedürfnisse unter Kontrolle zu halten und zu lenken. Wie so häufig ist ein gesundes Mittelmaß die Antwort auf den Gegensatz zwischen Freiheit und Kontrolle. Jedoch sind individuelle und kollektive Freiheit sehr gegensetzlich. Die Freiheit des Einzelnen schränkt die Freiheit der Allgemeinheit ein und umgekehrt. R. D. Precht erkärt dieses Dilemma perfekt. Bestimmte Verbote können Freiheit für Andere bedeuten. Hier kommt die Politik und grundsätzliches Pflichtbewusstsein jedes Einzelnen ins Spiel. Aber das ist ein Thema für ein anderes mal.
Was ist Freiheit für das Selbst?
- Freiheit ist grundsätzlich möglich. Wir sind nicht völlig unseren Gefühlen unterworfen.
- Freiheit im Moment ist aus gegebenen Umständen die passenste Entscheidung zu treffen.
- Kreative Pausen sind ein legitimes Mittel gegen Entscheidungszwang und Überforderung.
- Freiheit (Project) bedarf Zielen, um das Nichts auszufüllen und daher Bestandteil der Sinnfrage.